Bergsträßer Schul-Seelsorgerin über Mobbing: „Alle müssen bereit sein, hinzuschauen“

Mia Eck (Q2), BA 11.04.2022

Carmen Oestreich engagiert sich an der Liebfrauenschule Bensheim als Seelsorgerin

Leider ist das Thema Mobbing an Schulen auch heute noch sehr aktuell. Immer wieder werden Schüler und Schülerinnen von anderen auf verschiedenste Weisen ausgegrenzt und gedemütigt.

Wir von der BAnane-Jugendredaktion haben mit Carmen Oestreich darüber gesprochen, wie von Mobbing betroffenen Jugendlichen in der Schule geholfen werden kann. Sie engagiert sich als Seelsorgerin an der Liebfrauenschule (LFS) Bensheim unter anderem gegen Mobbing im Schulalltag und ist dabei auch eine Vertrauensperson für Schülerinnen, die Hilfe und Unterstützung benötigen:

Warum fällt es von Mobbing betroffenen Personen häufig so schwer, sich an eine Vertrauensperson in der Schule zu wenden?

Carmen Oestreich: Die Erfahrung, gemobbt zu werden, zerstört Vertrauen in Mitmenschen. Viele aus der Klasse schauen weg, einige aus Angst, als Nächste in den Fokus der Mobber zu geraten, andere sind gerne Publikum. Manchmal erkennen Lehrkräfte nicht die Tragweite, sie vermuten einen kleinen Konflikt und fordern die Schüler und Schülerinnen auf, es untereinander zu regeln. Die betroffene Person fühlt sich so alleingelassen in einer Situation, die sie aus eigener Kraft nicht auflösen kann. Oder Erwachsenen wird überhaupt nicht zugetraut, an der Situation etwas ändern zu können.

Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach getroffen werden, um Mobbing an Schulen noch besser verhindern zu können?

Oestreich: Man kann präventiv einiges tun. Abwertende Äußerungen und Ausgrenzungen nicht akzeptieren. Gute Streitschlichterprogramme an der Schule verhindern, dass Konflikte lange schwelen. An der LFS gibt es in allen Jahrgängen in Klassenstunden die Chance, die Klassengemeinschaft zu fördern.

Viele Programme fördern die Ich-Stärke von Jugendlichen. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem MaiStep-Training, das auch den Umgang mit eigenen Gefühlen und das Besprechen von Konflikten fördert.

Wenn es Probleme in der Klasse gibt, können wir vom Schulseelsorgeteam mit den Klassenlehrkräften pädagogische Tage anbieten, die dabei helfen, dass sich Mobbingstrukturen in der Klasse nicht entwickeln oder schnell unterbunden werden.

Wichtig ist, dass alle, die in der Schule arbeiten, verstehen, wie Mobbing funktioniert und bereit sind, hin- und nicht wegzusehen. Das Kollegium kann Absprachen dazu treffen, wie mit Fällen von Mobbing verfahren wird, um Handlungssicherheit zu haben.

Wie können Sie als Seelsorgerin Mobbing-Opfern helfen?

Oestreich: Ich kann zuhören, die Gewalterfahrung ernst nehmen und zeigen, dass Betroffene nicht alleingelassen sind. Außerdem berate ich sie bei nächsten Schritten beziehungsweise vermittle sie an eine Beratungsstelle oder psychologische Hilfseinrichtung. Ich unterstütze auch bei Gesprächen mit Eltern und der Schulleitung.

Zum Beispiel mit Hilfe des „No Blame Approachs“ interveniere ich, um Mobbing zu beenden. Außerdem kann ich mit der Klassenkonferenz ein gemeinsames Vorgehen koordinieren.“