Der erste Gipfel ist bezwungen – Jetzt geht es „immer weiter hoch hinaus“

A. Engelhardt

18 Realschülerinnen der Liebfrauenschule erhalten ihre Abschlusszeugnisse

Trotz erheblicher Einschränkungen bedingt durch die Corona-Pandemie ist es geschafft: Alle 18 Schülerinnen der Klasse 10c des Realschulzweiges der Liebfrauenschule haben ihren Realschulabschluss in der Tasche und konnten dies am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern und den Lehrern, die sie in den vergangenen Jahren begleitet haben, gebührend feiern. Der ökumenische Gottesdienst und die anschließende Feierstunde fanden in diesem Jahr in der „Corona-konforme“ Abstände ermöglichenden Anne-Frank-Halle und ohne persönliche Überreichung der Zeugnisse statt – diese waren zuvor an den Plätzen der Schülerinnen hinterlegt worden.

 

„Lasst euer Licht scheinen – für andere und für euch selbst“

In dem ökumenischen Gottesdienst, der musikalisch durch Gesang und Klavierspiel von Musiklehrer Gerhard Bönig untermalt wurde, stand ein zentraler Gedanke der Bergpredigt im Mittelpunkt: „Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und stellt sie unter einen Scheffel, sondern man stellt sie auf das Lampengestell und sie leuchtet allen, die im Hause sind. So lasst denn Euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie Eure guten Werke sehen, und Euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen. “ ( Matthäus, 5:14-16 )

Pfarrerin Carmen Oestreich, zugleich die Religionslehrerin der 10c, knüpfte an diese Worte an, indem sie die Schülerinnen ermunterte, auf diese Zusage Gottes zu vertrauen und ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern selbstbewusst hinaus in die Welt zu gehen und zu zeigen, was in ihnen stecke, ein Licht zu sein für andere – aber auch für sich selbst. Passend zu diesem Wort hatten die Schülerinnen in den letzten Religionsstunden vor den Abschlussprüfungen Lichtschalen gebastelt. Diese bildeten nun mit Kerzen erleuchtet einen feierlichen Rahmen zur Abschlussfeier  und wurden am Ende des Gottesdienstes von jeder Schülerin als Erinnerung mitgenommen wurden, musikalisch umrahmt von dem Gospel-Song „This little light of mine – I´m gonna let it shine“ von Harry Dixon Loes.

 

Eine „Bergtour“ der besonderen Art

In der anschließenden akademischen Feier verlieh zunächst Realschulzweigleiterin Cornelia Windolf ihrer Freude Ausdruck, dass trotz der besonderen Bedingungen angesichts des Corona-Virus eine Feier gemeinsam mit den Familien und den Lehrern stattfinden könne – wenn man sich auch „das alles ganz anders vorgestellt“ habe. Überhaupt sei in den letzten Jahren mit den jetzt glücklichen Absolventinnen vieles „ganz anders“ gewesen, als man sich das vorgestellt habe – sie seien teilweise eine „besondere Herausforderung“ gewesen, für die Lehrer, aber vor allem auch für sich selbst. Mit umso größerer Freude gratuliere sie nun, nach 6 Jahren, zu den unter solch besonderen Umständen erreichten Abschlüssen, darunter mit einer 1,6 und zweimal 2,0 sehr erfreuliche Ergebnisse. Die Schülerinnen seien besonders in den letzten Monaten an der ungewöhnlichen Situation gewachsen und hätten gezeigt, was in ihnen stecke.

Dass diese „Bergtour“ mit der diesjährigen 10c bis zum glücklichen Erreichen des Gipfelkreuzes eine besondere Herausforderung gewesen sei, griffen auch der stellvertretende Schulleiter, Peter L. Born, und die Klassenlehrerin der 10c, Christiane Ehret-Jeltsch, in ihren Abschiedsworten auf.

Beide verwendeten in ihren Reden das Bild einer Bergwanderung mit allen ihren Herausforderungen und Höhen und Tiefen, um den Weg der 10c zu den ersehnten Abschlüssen zu beschreiben. Auf dem Weg zum Gipfel habe es durchaus Turbulenzen und Stolperer gegeben, manches Mal habe der Absturz gedroht, doch zum Glück habe es in Eltern und Lehrern erfahrene Bergführer gegeben, die ein Sicherungsseil geboten hätten, das das Schlimmste habe verhindern können. Von Etappe zu Etappe hätten sich die Schülerinnen weiterentwickelt, individuell und als Klasse, zunehmend hätten sie Anstrengung als Notwendigkeit auf dem Weg zum Erfolg akzeptiert, und so seien sie nun etwas erschöpft, aber glücklich, am Gipfelkreuz angekommen. Für ihn sei es eine besondere Freude, das Etappenziel Realschulabschluss gemeinsam mit den Schülerinnen als deren Englischlehrer erreicht zu haben, so Born, sei es doch auch eine seiner letzten schulischen Bergtouren vor seinem allerletzten Schultag am 03. Juli gewesen – Born wird zum Ende dieses Schuljahres in den Ruhestand versetzt.

Von nun an gelte es, neue Pfade mit individuell passenden Herausforderungen zu beschreiten. Born appellierte an die Schülerinnen, sich ohne Angst auf den Weg zu machen, nicht stehenzubleiben und neue Wege auszuprobieren, ohne dabei ihre Ziele aus den Augen zu verlieren: „Jetzt geht es immer weiter hoch hinaus!“, zitierte er Tim Bendzkos bekannten Song „Hoch“, der zum Abschluss seiner Rede dann auch durch die Anne-Frank-Halle schallte.

 

„Augen zu und durch!“

Christiane Ehret-Jeltsch erinnerte in ihrer Rede an die ein Jahr zurückliegende Klassenfahrt an den Königssee und den Ausflug der Klasse auf den nahegelegenen Jenner. Allerdings wählte die Klassenlehrerin als Sinnbild für den herausfordernden Weg bis zum Gipfel die auf den ersten Blick bequemer erscheinende Fahrt mit der Jenner-Bergbahn. Diese allerdings, so Ehret-Jeltsch, stelle manche Menschen, besonders auch sie, vor rational kaum nachvollziehbare Schwierigkeiten, denn es koste unendlich viel Überwindung, trotz Höhenangst in eine Bergbahn zu steigen. Ihr Erfolgsrezept für ein erfolgreiches Bestehen der Prüfung: 1. „Augen zu und durch!“ – im wahrsten Sinn des Wortes. 2. Nimm dir jemanden mit, dem du vertraust, am besten bedingungslos. 3. Nicht nach unten sehen! – So komme man oben an, vielleicht nicht perfekt und vielleicht verständnislos belächelt, aber man komme an und könne den Ausblick genießen. Nach Bestehen dieser großen Herausforderung wünsche sie den Schülerinnen die Zuversicht, loszugehen auch in dieser Zeit der Unsicherheit und Verunsicherung, den Mut, weiterzugehen, auch wenn sie einmal mit Angst und Zweifeln zu kämpfen hätten, und das Selbstvertrauen, anderen zu zeigen wer sie seien und was sie könnten.

 

Eine besondere Klasse

Die Elternvertreterinnen, Frau Weickert und Frau Müller, erinnerten die Schülerinnen dieser „besonderen Klasse“ an den besonderen Empfang, der ihnen in Klasse 5 „mit Pauken und Trompeten“ an der LFS bereitet worden war. Auch in den folgenden Jahren sei die Klasse in Vielem „besonders“ gewesen – besonders quirlig, besonders laut, besonders diskussionsfreudig – in der Schule wie zu Hause, besonders, wenn es um das Hinterfragen des Sinnes hinter den Unterrichtsinhalten gegangen sei. Sie dankte den Lehrern, insbesondere allen Klassenlehrern der zurückliegenden 6 Jahre, dass sie diese besondere Herausforderung angenommen und die Klasse nie aufgegeben und trotz der vielfältigen Herausforderungen der letzten Monate zu einem erfolgreichen Abschluss geführt hätten. Nun sei in puncto Lernen die Pflicht erfüllt, ab jetzt sei alles freiwillig – und für diese nächsten freiwilligen Schritte wünschten sie den Mädchen Mut, Zuversicht, Begeisterungsfähigkeit und Offenheit für Neues. Passend zu ihren „besonderen“ Mädchen überreichten sie der Schule als Abschiedsgeschenk eine botanische Besonderheit: ein Ginkgo-Bäumchen, das mit Herzen dekoriert war, auf denen die guten Wünsche der Absolventinnen für die Schule verewigt waren, und das einen besonders schönen Platz auf dem Schulgelände finden wird.

Auch die Schülerinnen verabschiedeten sich herzlich von ihren Lehrern, dankten ihnen und ihren Eltern für deren große Geduld und betonten ebenfalls, als wie „besonders“ sie ihre eigene Klasse erlebt hätten: besonders laut, besonders anstrengend, manchmal besonders unmotiviert, besonders diskussionsfreudig, besonders chaotisch, aber auch besonders lustig –  zwar nicht perfekt, aber gerade dadurch eben etwas ganz Besonderes.