Lebende Tiere üben eine besondere Faszination aus, die sich durch nichts ersetzen lässt. Ein Vivarium in der Schule kann den Biologieunterricht sehr bereichern, bringt neue Möglichkeiten im AG-Bereich, ist ein Magnet an Tagen der offenen Tür und steigert die Anmeldezahlen der Schule.
Die Idee des Schulvivariums ist nicht neu. Dennoch gibt es nur wenige Schulen, an denen bisher eine nennenswerte Anzahl von Tieren gehalten wird. Die Gründe hierfür sind leicht zu identifizieren: Zum einen haben viele Lehrer*innen oft wenig Bezug zur Tierhaltung, zum anderen ist die Versorgung und Betreuung der Tiere während der Schulferien ein Thema. Dennoch lohnt es sich, den Schritt zu wagen und etwas mehr tierisches Leben in die Schule zu holen.
Wie alles begann
Ich selbst kam durch eine Lehrerfortbildung, bei der auch ein Schulvivarium vorgestellt wurde, auf die Idee, an der eigenen Schule, der Liebfrauenschule Bensheim, ein Vivarium aufzubauen. Bereits kurz nachdem ich als Quereinsteiger im Schuldienst angefangen hatte, kam mir die Idee, den Biologieunterricht in einer fünften Klasse am späten Nachmittag durch die Vorstellung meiner Vogelspinne, die ich privat gehalten habe, aufzulockern. Nachdem die Schülerinnen anfänglich etwas ängstlich reagierten, hatten bis zum Ende der Stunde die meisten ihre Scheu überwunden und die Vogelspinne auf ihre Hand genommen – wobei ich natürlich akribisch auf die Schülerinnen und die Spinne achtete, damit es zu keinen Missverständnissen kam. Eine Gefährdung der Schülerinnen bestand dabei zu keinem Zeitpunkt, denn die Spezies ist sehr friedlich und ein Biss wäre außerdem relativ harmlos, maximal vergleichbar mit einem Bienenstich.
Die weitere Entwicklung
Der Start zur Gründung des Schulvivariums war wegen zahlreicher Bedenken zunächst mühsam. Aber so schnell gab ich nicht auf. Zuerst überlegte ich mir ein Angebot für den Wahlunterricht der achten Klasse, der die Haltung von Tieren zum Inhalt hatte. Hierzu besorgte ich von einem Kollegen einer anderen Vivariumschule etwa zehn verschiedene Arten Stab- und Gespenstschrecken sowie einige Achatschnecken. Die Schülerinnen hatten die Aufgabe, die Tiere zu füttern, die Gehege zu reinigen und, nicht zuletzt, die Entwicklung der Tiere vom Ei bis zur Fortpflanzung in allen Stadien zu dokumentieren. Praktischerweise genügt bei den genannten Arten eine einmalige Pflege pro Woche. Zur Unterbringung wählte ich zunächst Kunststoff-Terrarien, die preiswert und leicht zu reinigen sind. Im Wahlunterricht (WU) bestand die Aufgabe der Schülerinnen darin, die Insekten wöchentlich zu versorgen sowie per Foto den Entwicklungsstand zu dokumentieren, wozu die eigenen Handys benutzt werden durften. So entstand für jede Art eine Dokumentation des Entwicklungszyklus vom Ei bis zum ausgewachsenen Insekt.
Der nächste Ausbauschritt des Vivariums bestand in der Anschaffung einer Gruppe von vier weiblichen Leopardgeckos und dem zugehörigen Terrarium, was über ein Kleinanzeigenportal einfach und günstig zu finden war. Zu den vier „Damen“ kam nach einiger Zeit noch ein männliches Tier, womit die Zuchtgruppe voll ständig war. Bei Beachtung von ein paar einfachen Regeln können mit dieser Gruppe jährlich Jungtiere nachgezüchtet werden. Es empfiehlt sich allerdings, nur so viele Eier zu inkubieren, dass der Bedarf an Junggeckos nicht überschritten wird. In jedem Fall sollte man vorher wissen, wer die Tiere nimmt oder ob man sie selbst noch unterbringen kann.
Alle bisher genannten Tierarten – und auch der hier abgebildete Große Madagaskar-Taggecko – eignen sich sehr für Schulvivarien: Sie sind ungefährlich, die Haltung ist relativ einfach und erfordert nur wenig Zeitaufwand. Man kann die Tiere auch einige Tage allein lassen, ohne dass sie darunter leiden, weil sie entweder nicht täglich fressen müssen oder das Futter für mehrere Tage haltbar ist. Die Tiere lassen sich gut hantieren, ohne besondere Geschicklichkeit zu erfordern. Ein umsichtiger und behutsamer Umgang versteht sich bei lebenden Tieren von selbst. Auch die Technik des Terrariums kann einfach gehalten werden. Reptilien benötigen in jedem Falle eine Wärmelampe. Abhängig von der Temperatur des Raumes kann diese auch bei anderen Arten ratsam bzw. notwendig sein.
Geeignete Tierarten
Grundsätzlich könnte man fast jedes Tier in die Schule bringen, dessen Haltung zulässig ist. Gifttiere, die eine Gefährdung darstellen, scheiden aus, ebenso Tiere, die empfindlich beißen oder auf andere Art zu Verletzungen führen können. Zudem muss das Wohl des Tieres durch die Haltung in der Schule ebenso gewährleistet sein. Ansprüche an die Haltung wie Platzbedarf, Nahrungsanforderungen usw. sind unbedingt zu berücksichtigen. Für welche Arten man sich entscheidet, sollte auch von der eigenen Erfahrung sowie der Ziel- gruppe abhängen. Geht es mehr um die Pflege der Tiere (jüngere Schüler*innen), oder möchte man Arten, die sich für bestimmte Unterrichtsthemen bzw. für Verhaltensstudien eignen? Eine kommentierte Liste mit Tierarten, mit denen ich eigene Erfahrungen habe, steht zum Download bereit. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, kann aber zur ersten Orientierung dienen.
Was noch zu bedenken ist
Der Raum für das Vivarium sollte idealerweise über eine durchgehende, stabile Arbeitsplatte als Stellfläche und reichlich Steckdosen verfügen. Auch ein Wasseranschluss ist unabdingbar. Ideal sind mehrere Spülbecken im Raum, damit es bei Schülergruppen nicht zu Engpässen kommt. Ein Abfluss im Boden ist sehr ratsam und ein Kühlschrank mit Gefrierfach sollte nicht fehlen. Tische, Wände und Arbeitsflächen sollten Wasser abweisend und leicht zu reinigen sein. Arbeitsplätze zum Schreiben und Mikroskopieren können im Raum oder in unmittelbarer Nähe sein. Eine Überhitzung des Raumes oder der Terrarien durch einfallende Sonnenstrahlung muss unter allen Umständen vermieden werden, da sie zum Tode der Tiere führen kann. Ein Raum mit Nordfenstern oder im Keller bzw. mit von außen zuverlässig beschatteten Fenstern ist in jedem Falle vorzuziehen.
Hält man in einer Schule Tiere, kann das Veterinäramt zu Besuch kommen, um die Haltungsbedingungen zu kontrollieren. Sollte es zu Beanstandungen kommen, müssen die festgestellten Mängel innerhalb einer gesetzten Frist beseitigt werden. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Veterinäramt ist daher sinnvoll.
Alle Tiere müssen regelmäßig gefüttert werden, was in der Regel mit Kosten verbunden ist. Das Gleiche gilt für die Wartung der Technik, den Ersatz defekter Lampen, die Reparatur von Behältnissen, Bodengründen, Bepflanzung usw. Neben den Kosten der Erstanschaffung ist daher ein Budget für die laufenden Kosten notwendig. Fördervereine der Schulen sind hier oft aufgeschlossen und für manche Projekte lassen sich auch externe Sponsoren gewinnen. Nicht zuletzt ist es ratsam, dass zwei oder mehr Kolleg*innen das Vivarium gemeinsam betreuen. So ist die Versorgung – auch in den Ferien – leichter zu organisieren.
Wozu Tiere in der Schule?
Unser Schulvivarium ist zu einem Alleinstellungsmerkmal unserer Schule geworden. An den Tagen der offenen Tür herrscht reger Andrang und bei den Anmeldegesprächen mit Eltern und Schüler*innen wird es regelmäßig als ein Argument für die Schule erwähnt. Wir haben eine lebendige Vivarium-AG, die allen Altersstufen von der 5. Klasse bis zum Abitur offensteht. Und zudem sind aus der Beschäftigung mit den Tieren schon einige „Jugend forscht“-Arbeiten entstanden.
Fazit
Ein Schulvivarium stellt eine große Bereicherung für die Schule dar. Unser Vivarium stieß anfangs auf Skepsis, wurde aber schon bald vom Kollegium und der Schulleitung als wichtiges Merkmal der Schule geschätzt und erhält damit auch die notwendige Unterstützung. Die Liebfrauenschule Bensheim ist Mitglied im Ring der Vivariumschulen: www.ring-der-vivariumschulen.de.
Dieser Artikel erschien im MINT Zirkel (Ausgabe 2, Mai 2021), Zeitung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik.