Ein herber Rückschlag für die Gleichberechtigung

Prof. Dr. Anna Rohlfing-Bastian, Frankfurt

Mit großer Bestürzung erfuhr ich aus den Medien, dass das Bistum Mainz die Trägerschaft für die Liebfrauenschule Bensheim (LFS) aufzugeben gedenkt. Als ehemalige Schülerin habe ich in hohem Maße vom besonderen schulischen Konzept der LFS profitiert – es gibt nur wenige Schulen, die den Schülerinnen so umfassende Kompetenzen vermitteln, wie die LFS es seit vielen Jahren erfolgreich tut.

Ich besuche die Schule regelmäßig anlässlich des alle fünf Jahre stattfindenden Ehemaligentreffens, zuletzt im Jahr 2018. Bei jedem Besuch bin ich von der Entwicklung der Schule und der Souveränität und Selbstverständlichkeit, mit der die Schülerinnen ihre Schule präsentieren, beeindruckt.

Exzellente schulische Ausbildung

Die LFS schafft es nicht nur seit vielen Jahren, den Schülerinnen eine exzellente schulische Ausbildung zu bieten. Sie ist darüber hinaus schon immer ein Vorreiter gewesen, wenn es um die Vermittlung sogenannter Soft Skills geht. Wenn man die Bandbreite der heutigen Studierenden betrachtet, erscheint es durchaus wünschenswert, dass mehr Schulen ein derartiges Konzept verfolgen. Es ist für mich völlig unverständlich, wie das Bistum Mainz die Trägerschaft für eine derart erfolgreiche und einzigartige Bildungseinrichtung aufgeben kann und damit das Konzept der Schule in Gefahr bringt.

Doch die Entscheidung der katholischen Kirche lässt mich nicht nur aus diesen Gründen geradezu fassungslos zurück. Der Erhalt des Konzeptes der LFS ist auch deswegen so ungemein wichtig, weil die Kompetenzen der Schülerinnen speziell in den quantitativ orientierten Fächern im geschützten Raum einer Mädchenschule deutlich besser ausgebildet werden können. In Anbetracht der starken Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen, technischen Berufen und der Wissenschaft erscheint es von besonderer Wichtigkeit, jungen Mädchen diese Kompetenzen zu vermitteln und sie zu starken Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen. Diesen Auftrag erfüllt die LFS vollumfänglich seit vielen Jahren mit großem Erfolg – eine durch neue Trägerschaft drohende Umorientierung wäre ein herber Rückschlag für das Thema Gleichstellung und ein Schritt in die falsche Richtung.

Einmalige Chance verpasst

Dass ausgerechnet die katholische Kirche aufgrund finanzieller Argumente das Konzept der Schule in Gefahr bringt, ist fast schon zynisch, denn beim Thema Gleichstellung gehört sie wohl eher nicht zu den Vorreitern. Missbrauchsskandale dürfte ein Grund dafür sein, dass der katholischen Kirche die Mitglieder abhandenkommen und die finanziellen Schwierigkeiten zunehmen. Die fehlende Modernität und die fehlende Offenheit für gesellschaftlich hochrelevante Themen – inklusive dem Thema Gleichstellung – dürften in die gleiche Kerbe schlagen.

Das Bistum Mainz hat hier die einmalige Chance verpasst, ein deutliches Zeichen zu setzen und in die Zukunft der Bildung junger Frauen zu investieren – eine Investition, die sich aus vielerlei Perspektiven als lohnend darstellt und einen deutlichen Mehrwert für unsere Gesellschaft bietet. Es bleibt zu hoffen, dass ein neuer Träger den Wert der Liebfrauenschule und ihres Konzeptes zu würdigen weiß.

Prof. Dr. Anna Rohlfing-Bastian, Frankfurt

Leserbrief im BA, 20.11.2020