Grußwort unseres Bischofs Peter Kohlgraf an die Schulgemeinde

Peter Kohlgraf

Liebe Schülerinnen und Schüler, 

das Schuljahr geht zu Ende – es war sicherlich für Euch ein außergewöhnliches Schuljahr. Bevor die Ferien beginnen, will ich Euch schreiben: Ich will Euch danken für alles, was Ihr derzeit leistet, und ich will Euch Mut machen für die Zeit, die vor Euch liegt. 

In den letzten Wochen habe ich mich immer wieder gefragt, wie es Euch wohl gehen mag:  Ihr Schülerinnen und Schüler wart besonders betroffen von den Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus. Über Wochen waren die Schulen geschlossen, das Lernen fand nur zu Hause statt.

Vermutlich habt Ihr die Situation zu Hause als nicht immer einfach erlebt: Den ganzen Tag daheim mit Eltern und Geschwistern – da kommt es wohl auch zu Konflikten; sich dauernd selbst zum Lernen motivieren zu müssen, ist nicht leicht; vermutlich habt Ihr Eure Freundinnen und Freunde vermisst und vielleicht habt Ihr gespürt, dass Eure Eltern Sorgen haben. Viele von Euch sind zu Hause jetzt mehr gefordert als sonst, helfen mit, passen auf jüngere Geschwister auf oder unterstützen ältere und belastete Menschen.

Auch jetzt sind wir noch weit entfernt von einem normalen Alltag. Die meisten von Euch gehen zwar wieder zur Schule, aber doch nur mit Einschränkungen und unter strengen Regeln. Auf viele schöne Dinge müssen wir weiterhin verzichten: Auf Kontakte und Begegnungen mit Freundinnen und Freunden, auf Klassenfahrten, Ausflüge, Sportveranstaltungen, Konzerte und Feiern, auf unsere gemeinsamen, festlichen Gottesdienste. Sicherlich werden die Sommerferien anders sein als Ihr es gewohnt seid: Viele Ferienaktivitäten können nicht stattfinden. 

Ich danke Euch, dass Ihr diese Einschränkungen mittragt, Ihr Euch an die Regeln und Vorschriften haltet und auf vieles verzichtet, was sonst Euer Leben ausmacht und Euch Freude bereitet. Mit Eurem Verhalten, vor allem mit Eurer Unterstützung für andere, zeigt Ihr großes Verantwortungsbewusstsein. Ich wünsche Euch, dass Euch diese Erfahrungen für Euer weiteres Leben stärken.  

Auch wenn die Lage nicht einfach ist: Ich will Euch ermutigen, Eure Situation nicht nur hinzunehmen, sondern zu überlegen, wie Ihr sie gestalten könnt. Wen vermisst Ihr am meisten? Vielleicht findet Ihr Möglichkeiten, trotz der Distanzregelungen Gemeinschaft und Freundschaft zu pflegen. Was fehlt Euch im Moment am meisten? Vielleicht werdet Ihr kreativ und findet Alternativen für Eure Lieblingsbeschäftigungen, die Ihr gerade nicht ausüben könnt. Vielleicht gibt es etwas, das Ihr schon immer unternehmen, ausprobieren oder lernen wolltet – jetzt könnte die Zeit dafür sein. Vielleicht wisst Ihr von jemandem, der oder die Eure Aufmerksamkeit und Hilfe brauchen könnte. 

Mich hat sehr beeindruckt, wie selbstverständlich in den vergangenen Wochen viele Menschen Mitgefühl und Solidarität gelebt habe. Ich denke an die vielen jungen Menschen, die sich beispielsweise in der Nachbarschaftshilfe oder in anderen Initiativen engagieren. Für solche Zeichen von Mitmenschlichkeit bin ich sehr dankbar. Möglicherweise habt Ihr ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass sich in der Krise Dinge zeigen, die gut sind: eine Freundschaft, die auch in schwierigen Zeiten trägt; Lehrerinnen und Lehrer, die nicht nur unterrichten, sondern sich ehrlich für Euch interessieren; dass Eltern und Geschwister trotz Alltagsreibereien für Euch da sind. Vielleicht habt Ihr an Euch selbst etwas entdeckt, was Euch vorher nicht bewusst war – etwa wie selbständig Ihr lernen und Eure Zeit gestalten könnt. 

Wenn Ihr ein paar ruhige Minuten habt: Macht Euch gedanklich auf die Suche nach solchen guten Erfahrungen und Neuentdeckungen aus den letzte Wochen.

Und noch etwas will ich Euch mitgeben: Traut Euch, Eure Erfahrungen und Eure Fragen mit Gott in

Verbindung zu bringen! Für mich als gläubigen Christen ist das tägliche Gebet sehr wichtig. Das

Gespräch mit Gott gibt mir Halt, gerade in schwierigen Zeiten. Dennoch kann ich gut verstehen, wenn Menschen sich fragen: Wo ist Gott in dieser Krise? Warum kommt so viel Leid durch Krankheit, durch den Verlust geliebter Menschen, durch Einsamkeit und Armut über die Menschen? Auch mir drängen sich diese Fragen auf, und ich habe keine Antworten darauf. Aber ich vertraue darauf, dass Gott uns nicht allein lässt und besonders den Leidenden nahe ist. Und ich glaube, dass Gott gerade in den Menschen gegenwärtig ist, die sich ihren Mitmenschen zuwenden, Ihnen helfen und sie trösten. 

Liebe Schülerinnen und Schüler, Ihr und Eure Familien seid sehr gefordert – und Ihr leistet eine ganze Menge. Ich bin auch Euren Eltern sehr dankbar, die im Moment viele Belastungen zu meistern haben, die für Euch sorgen und sich bemühen, Euch und Euren Geschwistern jetzt Sicherheit und Halt zu geben. Und ich bin Euch dankbar, wenn Ihr Euch weiterhin in der Familie, im Freundeskreis und in der Schule gegenseitig unterstützt. All dies ist sehr wichtig, nicht nur für Euch, sondern für uns alle, für unsere Gesellschaft und für unsere Kirche. 

Wenn Ihr wollt, schreibt mir einen Brief (ein Gedicht oder eine Geschichte, gestaltet ein Bild, dreht ein Video). Berichtet mir, wie Euer Leben im Moment aussieht, welche Pläne und Wünsche Ihr habt, was Euch beschäftigt. Das interessiert mich sehr, und ich freue mich auf Eure Zuschriften! 

Jetzt wünsche ich Euch schöne, erholsame Ferien mit vielen guten Erlebnissen, die Euch Kraft und Schwung geben für alles, was dann kommt. 

Gottes Segen! 

Euer 

Bischof von Mainz 

Peter Kohlgraf