Von einem Weihnachtswunder zu sprechen, wäre sicherlich ein wenig zu hoch gegriffen. Schließlich ist der neue Träger für die Liebfrauenschule nicht vom Himmel gefallen. Vorausgegangen waren eine monatelange Suche, erste Gespräche und längere Verhandlungen. Seit Freitagvormittag steht nun aber fest: Das traditionsreiche Mädchengymnasium in der Bensheimer Innenstadt hat – entgegen weitläufiger Befürchtungen im Sommer – eine Zukunft.
Übernehmen wird die LFS ab dem Schuljahr 2023/24 (so sehen es die aktuellen Planungen vor) das Kolping-Bildungswerk Württemberg. Bis dahin bleibt das Bistum Mainz in der Verantwortung, die Übernahme soll in den nächsten eineinhalb Jahren schrittweise erfolgen. „Die Liebfrauenschule gewinnt damit einen verlässlichen und erfahrenen Schulträger“, erklärte der Bildungsdezernent des Bistums Mainz, Gereon Geissler am Freitag im Gespräch mit dieser Zeitung.
Als Teil der katholischen Familie bleibe durch Kolping die christliche Ausrichtung des Mädchengymnasiums gewahrt. Darüber hinaus verfüge das Bildungswerk über fundierte Kenntnisse und Erfahrungen in der Übernahme von Schulträgerschaften. Allerdings wird der Wechsel nicht ohne Wermutstropfen über die Bühne gehen. Der Realschulzweig der LFS, den zurzeit zwischen 120 und 140 Mädchen besuchen, wird auslaufen.
„Das ist der bittere Preis zum Erhalt der Schule. Alle Schülerinnen können aber regulär ihre Schulzeit an der Liebfrauenschule beenden“, teilte Weihbischof und Generalvikar Udo Markus Bentz in einer Pressemitteilung mit, was am Freitag vor Ort auch so gesagt wurde. Ab dem neuen Schuljahr im Sommer wird es jedoch keine Neuaufnahmen mehr geben. „Das ist keine Absage an den Bildungszweig, es ist schlicht das Anerkenntnis, dass eine einzügige Realschule nicht zu tragen ist“, ergänzte Geissler. Hätte man diesen Weg dennoch weitergehen wollen, wäre es zu einer Anhebung des Schulgeldes gekommen, verdeutlichte der Mainzer Dezernent.
Das wiederum sei aber ein sehr sensibler Punkt, weshalb man einen Bestandsschutz für das Schulgeld „im Rahmen der normalen Preissteigerung“, wie es am Freitag hieß, ausgehandelt habe. Aktuell müssen die Eltern 90 Euro im Monat zahlen, für Geschwisterkinder oder einkommensschwache Familien sind Entlastungen möglich. Eine Fortsetzung des Realschulzweigs sei zu den momentanen Konditionen und in der Struktur, in der man arbeiten müsse, nicht darstellbar. Zumal die Schülerzahlen rückläufig seien. „Obwohl es inhaltlich gut zu Kolping passen würde“, so Geissler.
Das bestätigt auch Geschäftsführer Markus Schwaigkofler, Vorstand des Bildungswerks im Nachbarbundesland. „Wir wollen aber keine Luftschlösser bauen oder uns auf Annahmen stützen, die dann nicht eintreffen. Wir wollen einen realistischen Blick auf den Ist-Zustand werfen und Antworten auf die Fragen geben, wie man es gut fortführen kann.“
Grundsätzlich verfolgt der neue Träger nach eigenem Bekunden in Abstimmung mit dem Bistum einen konservativen Ansatz, der auf dem bisher zu zahlenden Schulgeld und konstanten Schülerinnenzahlen basiert – und nicht auf Wachstum ausgelegt ist. Ziel ist es, die Liebfrauenschule „zu stabilisieren mit einer Fokussierung auf das Gymnasium und das Ganze auf gute wirtschaftliche Beine stellen“. Es gehe darum, eine realistische Perspektive zu zeigen, Themen offen und ehrlich anzusprechen und niemanden zu überfordern. Entscheidend sei, vor Ort im Austausch und im Dialog gemeinsam Schule zu entwickeln.
„Wir sind sehr optimistisch und zuversichtlich, was die Zukunft der Liebfrauenschule angeht. Es gibt hier sehr viel Gutes und eine lange gelebte Tradition. Unsere Aufgabe wird es sein, ein paar Stellschrauben zu drehen“, erläuterte Schwaigkofler. Worum es dabei im Detail geht, abgesehen von der Realschule, konnten die Verantwortlichen noch nicht benennen. Eine Rolle wird bei den weiteren Gesprächen sicherlich die Gebäudesituation spielen. Ob man sich im Zuge dessen von Immobilien trennen wird, steht offiziell nicht fest. Das müsse, wie einige andere Punkte, geprüft und abgewogen werden.
Alle Beteiligten lobten die gute Gesprächsatmosphäre in den vergangenen Wochen. Schulleiterin Ursula Machnik sprach von einer passenden Konstellation. Sie sei sehr froh, dass es nun eine Lösung gebe. „Die Liebfrauenschule ist eine Institution. Auch mit dem neuen Träger können wir bewahren, was die Schule im Kern ausmacht.“ Das Kolping-Bildungswerk unterstütze, was für die LFS wesentlich und profilbildend sei. Die Schwerpunkte, wozu die Schulleiterin neben einer qualifizierten Bildung auch die Frauenförderung zählte, könnten weiterhin gesetzt werden.
Für sie und die ganze Schulgemeinschaft waren die zurückliegenden Monate alles andere als einfach. Das räumte auch Gereon Geissler ein. Vor einem Jahr habe man die Schule vor eine ungewisse Zukunft gestellt. „Das schmerzt uns, ist aber leider unumgänglich gewesen.“ In eine ähnliche Gefühlslage wurden die Akteurinnen und Akteure in Bensheim gestürzt, als bekannt wurde, dass der Vertrag mit der International School on the Rhine nicht zu Stande kommen würde. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass dies die richtige Entscheidung war, ordnete der Bildungsdezernent in Anspielung auf die Schwierigkeiten der ISR an anderen Standorten ein.
Nach den Sommerferien starteten die Verhandlungen mit zwei Trägern, letztlich einigte man sich mit dem Kolping-Bildungswerk. Auf Nachfrage bestätigten Geissler und Schwaigkofler die Unterzeichnung eines Vorvertrags, in dem man schon „sehr genau an den Zahlen“ gearbeitet habe. In den nächsten Monaten soll eine finale Fassung unterschrieben werden.
Das Bistum selbst hat nach eigenem Bekunden Zugeständnisse gemacht, um die Vereinbarung zu ermöglichen. „Wir werden noch über Jahre unseren Beitrag zum Bestand der Schule leisten“, meinte der Generalvikar. Dazu gehören finanzielle Themen wie Altersrückstellungen, Garantien für Pensionen und der Immobilienbestand. Zudem bleiben das Schulpastoral, die seelsorgerische Arbeit, im bisherigem Umfang erhalten – was von Ursula Machnik besonders begrüßt wurde.
Bildungsangebote für 15 000 junge Menschen an 50 Standorten
Das Kolping-Bildungswerk Württemberg mit Sitz in Stuttgart beschult an 50 Standorten in 25 Städten rund 15 000 junge Menschen. Der Verein wurde 1969 gegründet, seine Wurzeln reichen aber bis 1871 zurück. Durch die Vereinsgründung wurde das Bildungswerk rechtlich selbstständig und agiert unabhängig von der Kirche.
In 140 staatlich anerkannten Schulen führt das Bildungswerk nach eigenen Angaben Schülerinnen und Schüler zum Abschluss und bietet jährlich rund 2500 neuen Schülern einen Platz. Für die verschiedenen Bildungsangebote werden 2000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Leistungsspektrum des privaten Bildungsträgers ist vielfältig und umfasst Kitas, Schulen, Hochschulen sowie Angebote der beruflichen Weiterbildung und Arbeitsmarktdienstleistungen.
In der Region ist das Bildungswerk unter anderem in Mannheim aktiv. Dort wird das „Kurpfalz“ betrieben – eine staatlich anerkannte Privatschule mit Gymnasium und Realschule. Das „Kurpfalz“ existiert in Mannheim seit 1872. Das Kolping-Bildungswerk ist als Träger 2019 eingestiegen, nachdem die Schule im Oktober 2018 Insolvenz anmelden musste.
In Heidelberg zählt das Englische Institut seit 2017 zum Portfolio, mit bilingualer Grundschule und einem Gymnasium ebenfalls mit zweisprachigem Angebot. Mit dem Engagement an der Liebfrauenschule in Bensheim wird man nun erstmals in Hessen aktiv.