Schultheater: Angstpolizei und Gedanken-Chaos im Parktheater in Bensheim

C. Ehret-Jeltsch

Noch eine Übung zum deutlichen Sprechen, ein gemeinsames toi toi toi und ein gemeinsamer lauter Schrei: Dann kann er aufgehen, der Vorhang im Parktheater Bensheim, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer beim Theaterabend der Liebfrauenschule Bensheim am vergangenen Mittwochabend (3.) die Stücke sehen können, an denen die drei Theatergruppen der Schule im Laufe des Schuljahres gearbeitet haben. Herausgekommen sind drei ganz unterschiedliche Theaterstücke: ein Kammerspiel rund um das Thema Angst, eine Collage zum Thema „Beeinflussung“ und ein Blick in die vielfältige und widersprüchliche Gedankenwelt einer Heranwachsenden. 49 Schülerinnen der Liebfrauenschule waren auf der Bühne des Parktheaters aktiv, zwei weitere – Emma Hofmann und Caroline Luley – waren am Licht- und Tonpult im Einsatz.

Den Abend begonnen hatte die Kreativgruppe Theater der Klassen 5 und 6 mit dem Stück „Die Angst geht um“ unter der Leitung von Heike Schäfer-Rehn. Nacheinander zeigten die Spielerinnen verschiedene Situationen, in denen Kinder Angst empfinden: zum Beispiel Angst ohne Eltern alleine zuhause, Angst vor Gewitter, Angst wegen eines Horrorfilms. Da stellte sich dann die Frage: Wer könnte zu Hilfe kommen bei akuten Fällen von Angst? Die Antwort der Schülerinnen: die Angstpolizei. Die sich dann allerdings in dem ein oder anderen Fall nicht ganz so geschickt anstellte. Zum Beispiel, als mitten in der Nacht, als ein Mädchen große Angst im Dunkeln hatte und nicht schlafen konnte, plötzlich zwei Polizistinnen bei ihr auftauchten, die Süßigkeiten anboten. Sie stellten sich zwar vor: „Wir sind die Angstpolizei, deine Freundin und Helferin“, wer aber nimmt Süßes von Fremden? Definitiv keine Hilfe. Oder als die Angstpolizistinnen die Geduld verloren und zwei Schwimmbadbesucherinnen, die sich nicht trauten, vom Sprungturm aus ins Wasser zu springen, nach einem kurzen Wortwechsel mir nichts dir nichts einfach schubsten. Zwar entwickelte sich die Angstpolizei weiter, hatte etwa nach einer entsprechenden Nachfrage auch vegane Süßigkeiten dabei, konnte aber keine durchschlagenden Erfolge erzielen. Und so standen am Ende des Stückes verschiedene Vorschläge, wie man im richtigen Leben einigermaßen mit der Angst umgehen kann. Als letzter Vorschlag: Der Ruf nach Mama. Die hilft!

Vor der Pause zeigte auch die Theatergruppe der Klassen 7 und 8 ihr Stück „Wer wen? Wer wen mehr?“, das verschiedene Formen der Beeinflussung zum Thema hatte, die sich auch in der szenischen Gestaltung zeigten (Leitung: Christiane Ehret-Jeltsch). Gleich zu Beginn erhielt die Gruppe Kommandos wie „Kopf hoch!“ oder „Vorwärts!“. Alle folgten, versuchten dann, sich gegenseitig in eine bestimmte Form zu bauen, und verscheuchten sich daran anschließend nacheinander von der Bühne. Verschiedene Bereiche, in denen wir Einflüssen ausgesetzt sind, hatten die Schülerinnen ausgewählt. Darunter Kleidung (ein absurder Kampf Pink gegen Grün), Musik („Wie kann man so was hören?“) und natürlich Influencer. Die Influencerinnen auf der Bühne des Parktheaters hatten da aber extreme Tipps parat: ein „günstiges“ Frühstück für 1200 Euro, ein Klebestift als ultimative, bombenfest haltende Wimperntusche oder ein Appell, sich nur mit absoluten „Bad Boys“ einzulassen, waren darunter. Auch die Familie wurde als Ort der gegenseitigen Beeinflussung gezeigt: „Mama hat’s erlaubt!“ oder „Ich sag Oma, dass du mich schlecht behandelst!“ waren nur zwei der Strategien der Einflussnahme auf Eltern. „Ich bin ich und du bist du“ war dann das Motto, das die Gruppe mithilfe von Buchstaben im Schlussbild baute: ein Appell für Toleranz und Selbstbewusstsein.

Nach der Pause spielten dann Schülerinnen der Klassen 9 und 10, die ebenfalls in einer AG – Leitung Christiane Ehret-Jeltsch – aktiv gewesen sind. Ihr Konzept: Die Bühne war der Kopf und die 11 Spielerinnen waren verschiedene Stimmen in diesem Kopf. Da gab es zum Beispiel eine Pessimistin und eine Optimistin, eine Stimme der Vernunft, eine der Befürchtung oder eine mit romantischer Ader. Auch dabei: ein Kind, das mit seiner impulsiven und direkten Art alle anderen in Bedrängnis brachte. Das Bühnenbild war entsprechend chaotisch. Überall stand etwas herum und jede Stimme hatte ihre Requisiten, mit denen sie sich zwischendurch beschäftigte. Außerdem hatte jede Stimme natürlich zu allem ihre Meinung, sei es zur Frage, was man heute anziehen sollte, oder zur Frage, was man in der Mittagspause essen sollte. Die Gedanken entwickelten ständig ein Eigenleben. Zum Beispiel während des Mathe-Unterrichts, als man sich ausmalte, wie man den Jungen, dem man morgens an der Bushaltestelle begegnet war, besser kennenlernen würde. Im Angebot: eine dramatische Rettungsaktion vom Dach eines Hochhauses, eine romantisch-märchenhafte Begegnung unter einem Blüten streuenden Kirschbaum, eine funkensprühende Begegnung im Bus oder ein Kampfeinsatz bei einem Zombieüberfall: „Gaaanz realistisch“, die Einschätzung einer der Stimmen. Und die Antwort auf die Frage, warum man sich so einen Blödsinn ausdenken würde, lautete: „Weil wir’s können! Wir sind das Hirn!“ Und gleichzeitig drängte sich bei dem Gedanken-Chaos immer wieder eine andere Frage auf: „Wie halten wir das eigentlich den ganzen Tag aus?“, gleichzeitig der Titel des Stücks.

Die Spielerinnen aller drei Stücke wurden mit langanhaltendem und begeistertem Applaus belohnt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sahen drei Produktionen, die unterhaltsam waren und gleichzeitig Impulse zum Nachdenken boten. Die Stücke waren geprägt von der Lebenswelt und den Erfahrungen der Schülerinnen, denn die Gruppen hatten ihre Ideen in die Entwicklung der Eigenproduktionen eingebracht, haben gemeinsam Szenen entwickelt und geschrieben. Ein rundum gelungener Abend.

Spielerinnen:
Kreativgruppe 5/6: Amalia Engelhardt, Annemarie Keller, Elise Kapp, Antonia Töpfer, Maxa Gerhard, Charlotte Korn, Karolina Korn, Elisabeth Ludwig, Emilia Menzel, Leondina Ukaj, Jennah El Isaoui, Leyla Gärtner, Paula Götz, Tamina Höhn, Sophie Maurer, Sophie Ritter, Emma Schaper, Meike Schütz

Theater-AG 7/8:
Islam Dalo, Frida Götz, Lucie Grüger, Moa Hanisch, Luise Möhler, Leona Neubauer, Hannah Schütz, Helena Boeck, Sara Fernandez, Katharina Wildner, Victoria Mayer, Anna Bergschneider, Marlene Spreng, Eva Boeddinghaus, Lenia Molzahn, Matilda Brenner, Anna Engelhardt, Sofia Marsch, Sophie Siegle, Hannah Zimmermann

Theater-AG 9/10:
Mia Petermann, Amelie Auer, Lena Bernet, Nina Jahnel, Frida Kaffarnik, Emilia Petermann,  Asena Deniz, Mila Kloß, Evelin Karb, Helen Prochaska, Celine Schader

Technik: Emma Hofmann, Caroline Luley

Spielleitung: Heike Schäfer-Rehn, Christiane Ehret-Jeltsch