Der Verlust eines nahe stehenden Menschen gehört wohl zu den einschneidendsten Schicksalsschlägen, die den eigenen Lebensentwurf komplett über den Haufen werfen und eine emotionales Chaos auslösen können. Vermutlich gerade deswegen gehört der Tod zu den gerne verdrängten Themen, über die man nicht gerne spricht. Er trifft die Menschen meist unvorbereitet.
Aber „der beste Zeitpunkt für ein Thema ist, wenn es noch kein Thema ist“, wissen Anja Gondolph und Stefanie Vontra vom Hospiz Bergstraße, die den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer im Rahmen eines Vortragsabends an der Bensheimer Liebfrauenschule zum Thema machten.
Jugendliche trauern anders
Die Schule hatte selbst zwei aktuelle Anlässe zu diesem Thema, wie Schulleiter Mirko Schnegelberger in seiner Begrüßung feststellte und hatte sich auch deswegen zu diesem Angebot entschieden, denn Kinder und Jugendliche trauern anders, wie von den beiden Referentinnen zu hören war.
Beide sind hauptamtliche Trauerbegleiterinnen im Hospiz und werden dabei von rund 25 qualifizierten ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen unterstützt. Sie sind für Betroffene die ersten Ansprechpartnerinnen und koordinieren die kostenfreien Beratungsgespräche. Anja Gondolph ist Sozialpädagogin und Stefanie Vontra bringt ihre psychologische Expertise mit ein.
Eine im Forum Haus Maria Ward der Schule zu hörende wichtige Botschaft war, dass Trauern eine normale, natürliche und gesunde Reaktion ist. „Sie ist die Lösung und nicht das Problem“. Trauer möchte gesehen, gehört, verstanden und akzeptiert werden. Auch Kinder sollten – und müssen – trauern dürfen, doch je nach Alter sei die Ausdrucksform unterschiedlich.
Im Alter zwischen neun und zwölf Jahren werde der Tod schon als etwas Abschließendes und Endgültiges wahrgenommen, aber damit oft noch sehr sachlich und mit Wissensdurst umgegangen. Kinder sollte man daher nicht ausschließen, aber immer in Absprache mit dem Kind vorgehen. Dass Kinder in aller Regel eine gute Antenne dafür haben, was sie möchten und was nicht, wurde auch aus eigener Erfahrung aus den Reihen des Publikums bestätigt.
Im Alter zwischen 12 und 16 Jahren löst der Tod ein Gefühlschaos aus. Das Urvertrauen in die eigene Unverwundbarkeit gerät aus den Fugen und es ist ein schmaler Grat zwischen der Beschäftigung mit Tod und Trauer und der Aufrechterhaltung der Normalität, da in aller Regel auch die gewohnte Familienbasis aus dem Lot ist. In dieser Phase könne die Stabilität von außen, wie beispielsweise die Schule, ein wichtiger Anker und Rettungsring sein.
Das können Erinnerungen an gemeinsame Aktivitäten oder Erlebnisse sein, die Beschäftigung mit der neuen Strukturierung des Familienlebens oder Symbole, wie beispielsweise ein kleiner Rettungsring, den die Referentinnen jedem Teilnehmer zur Erinnerung an das Gehörte auf den Stuhl gelegt hatten.
Der Umgang mit Tod und Trauer sei je nach Alter und Persönlichkeit ganz unterschiedlich, denn jeder Mensch habe sein „persönliches Gesetzbuch“. Gerade bei Jugendlichen sei oft ein sprunghafter Wechsel von Emotionen festzustellen, sprach Anja Gondolph von der sogenannten „Pfützentrauer“ bei Kindern. Zeigt es sich eben noch tief mit der Trauer verbunden, scheint sie im nächsten Moment wieder vergessen. Oft sei es auch so, dass Jugendliche nicht in der Lage seien, über Tod und Trauer zu sprechen, aber sie könnten sehr gut darüber schreiben.
Es geht um den Verlust
Wichtig sei, für den Trauernden da und ansprechbar zu sein. Wenn das aktuell nicht möglich sei, helfe der Hospizverein mit seiner qualifizierten Trauerbegleitung. Dabei spiele die Form des Todes keine Rolle, denn es gehe immer um den Verlust. Das könne auch der Verlust der Heimat oder des Ehepartners nach einer Scheidung sein.
„Es ist ein Desaster und es darf ein Desaster sein“ sprach sich Stefanie Vontra dafür aus, der eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen und zu zeigen, wie man sich fühlt.
Das Angebot der Trauerbegleitung richtet sich ganz nach der individuellen Trauersituation und reicht von der Einzelberatung bis zur Begleitung in Gruppen und Gesprächskreisen. Die Unterstützung ist immer kostenfrei, aber der Hospiz-Verein sei auf Spenden angewiesen.
Wichtig sei, dass die Trauerbegleitung nur mit dem Einverständnis der Betroffenen möglich ist. Als nahestehende Person, die helfen und unterstützen möchte, könne man im Vorfeld aber durchaus den Weg für den Betroffenen ebnen.
Die Ansprechpartnerinnen Anja Gondolph und Stefanie Vontra sind über die Geschäftsstelle des Hospiz-Vereins erreichbar. Diese befindet sich seit etwa zwei Jahren im Gebäude Am Wambolterhof mitten in der Innenstadt von Bensheim.
Bergsträßer Anzeiger vom 16.6.23