Lesung mit Dirk Reinhardt an der LFS

A. Engelhardt

Lesung mit Dirk Reinhardt an der LFS

„Über die Berge und über das Meer“: Die abenteuerliche Geschichte einer Flucht aus Afghanistan nach Deutschland

Am Dienstag, dem 16.01.2024, konnten die Schülerinnen der 9. Und 10. Klassen der LFS in den Genuss einer ganz besonderen Veranstaltung kommen:

Der bekannte Jugendbuchautor Dirk Reinhardt besuchte auf Einladung der Klasse 10c die Liebfrauenschule und stellte den Schülerinnen in zwei Lesungen seinen mehrfach ausgezeichneten Jugendroman „Über die Berge und über das Meer“ vor.

Mit seinem lebendigen und schülernahen Vortrag, ergänzt durch die Lesung dreier eindrücklicher Textstellen aus dem Roman, gelingt es Dirk Reinhardt mühelos, das Interesse der jugendlichen Zuhörerinnen zu wecken und sie in eine fremde Welt zu entführen – Die Schülerinnen lauschen gespannt der Geschichte um die jugendlichen Protagonisten Soraya und Tarek und deren abenteuerliche Flucht aus dem kriegs- und krisengebeutelten Afghanistan bis ins ferne Deutschland.

Die 14jährige Soraya wird zunächst, einer in entlegenen Gegenden Afghanistans noch gebräuchlichen Praxis folgend, als Junge verkleidet und erzogen, da in  ihrer Familie nur Töchter geboren wurden. Soraya lebt somit bis zum Alter von 14 Jahren mit allen Rechten und Privilegien eines Jungen, bis sie an die zu diesem Zeitpunkt noch als Rebellen in der bergigen Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan agierenden Taliban verraten wird, die in der Folge Sorayas Leben bedrohen. Da es Soraya unmöglich ist, sich den strengen Sittenregeln der Taliban zu fügen, und sie unter diesen zu zerbrechen droht, beschließt die Familie, sie in die Türkei zu schicken, wo sie bei Bekannten unterkommen und ihrer Begabung gemäß eine gute schulische und berufliche Ausbildung bekommen soll.

Dirk Reinhardt zeigt zur Einführung in das Thema Bilder aus dem Bürgerkriegsland, auf denen die Zerstörung in den entlegenen Bergdörfern drastisch sichtbar wird. Weitere Bilder, auf denen junge Afghanen zu sehen sind, laden die Schülerinnen zum Rätseln ein: Handelt es sich bei den gezeigten Kindern und Jugendlichen um Mädchen oder Jungen? – Schnell zeigt sich, dass es kaum möglich ist, ein als Junge verkleidetes Mädchen zweifelsfrei zu erkennen, und dass die Erziehung als Junge sich auch in den Gesichtszügen und ~ausdrücken junger Afghaninnen deutlich niederschlägt. Eine eindringliche Szene aus dem Roman führt den Zuhörerinnen plastisch vor Augen, dass Sorayas Leben durch die Taliban akut bedroht ist.

Sorayas Freund Tarek, der zweite Protagonist des Romans, erlebt neben der Bedrohung durch die Taliban noch zwei weitere Bedrohungen, denen die Bevölkerung Afghanistans ausgesetzt ist: Als Angehöriger des Nomadenvolks der Kutchi kämpft er mit den dramatischen Folgen des Klimawandels, der weite Teile des Landes austrocknen und versteppen lässt, und muss zudem fast täglich um sein eigenes Leben und das seiner Schafe fürchten, da weite Teile des ländlichen Afghanistan durch Landminen verseucht sind. Auch Tareks Familie weiß sich keinen anderen Rat, als, um die Zukunft Tareks und der gesamten Familie zu sichern, den jüngeren Sohn auf die gefährliche Reise ins ferne Europa zu schicken – nach Deutschland, wo bereits ein entfernter Verwandter eine neue Heimat gefunden hat.

Ohne vom Schicksal des anderen zu wissen, brechen die beiden Freunde Soraya und Tarek unabhängig voneinander  zu einer gefährlichen Reise auf, die die beiden unbegleiteten minderjährigen Migranten auf verschlungenen Wegen durch den Iran und über die Türkei schließlich bis ins Ferne Deutschland führen wird. Immer wieder kreuzen sich die Wege der beiden Jugendlichen, einmal kurz treffen sie sich gar im unwirtlichen Grenzgebirge zwischen dem Iran und der Türkei, werden jedoch sofort wieder getrennt – einzig der aufmerksame Leser weiß darum, wie nahe sich die beiden Freunde immer wieder kommen.

Die Lesung endet an der türkischen Mittelmeerküste, unmittelbar vor dem Aufbruch Tareks und Sorayas zum letzten Teil ihrer waghalsigen Reise. Ob sich die beiden im zu diesem Zeitpunkt immer noch fernen Deutschland wiederfinden, wie sie letztlich nach Deutschland gelangen und ob ihre Flucht von Erfolg gekrönt sein wird, wird den neugierigen Zuhörerinnen nicht verraten – So mag es kaum verwundern, dass direkt im Anschluss die in der Mediathek der Schule vorhandenen Exemplare des Jugendromans ausgeliehen werden.

Zwischendurch geht Dirk Reinhardt geduldig auf die interessierten Fragen der Schülerinnen ein. Am Ende gibt es, nachdem die Schülerinnen seinem 60minütigen Vortrag aufmerksam gelauscht haben, in einer Fragerunde genügend Raum, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Die sympathische und zugewandte Art des Autors lädt seine jungen Zuhörerinnen zum Nachfragen ein, und so können die Schülerinnen viele interessante Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers gewinnen, denn Dirk Reinhardt erzählt lebhaft und plastisch von seiner Tätigkeit.

Am Ende der gelungenen Lesungen wurde Dirk Reinhardt so mit langanhaltendem Applaus bedacht, bevor sich die Klasse 10c, die Reinhardt eingeladen und die Lesung organisiert hatte, mit einem kleinen Präsent nochmals persönlich für sein Kommen bedankte. Die von der Klasse eigens für die Lesung vorbereitete Plakatausstellung wird in den nächsten Wochen noch in der Mediathek zu sehen sein. Die Liebfrauenschule dankt Herrn Reinhardt für eine rundum gelungene Veranstaltung!