Schulschließung, Homeschooling, Kommunikation über digitale Medien und Abistress: Die Corona-Pandemie hat den Alltag von Schülerinnen, Schülern, Eltern und Lehrern in den vergangenen Monaten mächtig durcheinander gewirbelt. „Das war so nicht vorgesehen. Das Virus hat uns um fast alle Rituale gebracht“, erklärte Sabine Nellessen-Kohl, Direktorin der Liebfrauenschule (LFS), auf der akademischen Feier zur Verabschiedung der Abiturientinnen in der Anne Frank-Halle.
Dass tatsächlich das Wörtchen „fast“ eine entscheidende Rolle im Grußwort der Schulleiterin spielte, war den Abiturientinnen selbst zu verdanken. Lange stand auf der Kippe, ob es angesichts ständig neuer Vorschriften zur Eindämmung der Pandemie zum Ende der Schulzeit an der LFS überhaupt eine Feier geben würde. „Auf einmal ging alles schnell, und wir konnten den Schalter noch umlegen“, so Nellessen-Kohl.
Es waren die Schülerinnen, die nach bestandenem Abitur nicht einfach sang- und klanglos auseinander gehen wollten und auf einem Festakt bestanden, getreu ihrem Abi-Motto: „Wir waren mit Abstand die Besten.“ „Das Corona-Abitur wird in die Geschichte eingehen“, prophezeite die Direktorin. Dementsprechend außergewöhnlich und einmalig war die akademische Feier. Eltern und die Angehörigen der Abiturientinnen durften wegen der geltenden Abstandsregeln nicht teilnehmen und warteten im Regen vor der Halle auf ihre Töchter und Enkelinnen, um anschließend doch noch im privaten Kreis zu feiern. Der übliche Sektempfang der Schule wurde ebenfalls abgesagt. Stattdessen gab’s für die Schulabgängerinnen jeweils ein Piccolo. Der ökumenische Wort-Gottesdienst wurde von der Stadtkirche in die Turnhalle verlegt.
Souverän und diszipliniert, so beschrieb Nellessen-Kohl den Ablauf der Prüfungen und machte den 55 jungen Frauen – der gesamte Jahrgang hat bestanden – ein großes Kompliment: „Sie haben den Kopf trotz der psychischen Belastung nicht hängen lassen.“ Als ein Vorbild bezeichnete sie die Schriftstellerin Hilde Domin, die sich weder vom Terror durch das Nazi-Regime noch durch Ungerechtigkeiten und Schicksalsschläge habe brechen lassen. Mit ihrer poetischen Miniatur „Wer es könnte die Welt hochwerfen, dass der Wind hindurchfährt“ habe sie ein Symbol für ein „dennoch oder trotzdem“, für ein Mit- und Füreinander, gesetzt.
Die Schulleiterin wünschte den LFS-Abgängerinnen für ihre Zukunft Zuversicht und Mut: „Wagen Sie trotzdem hoffnungsvoll den nächsten Schritt.“ Dass die Abschlussfeier der Abiturientinnen 2019/20 für die Schulleitung – abseits von den Corona-Einschränkungen – eine ganz besondere war, thematisierte die Direktorin im Anschluss: „Sie sind unser letzter Jahrgang. Mein Stellvertreter Peter Born und ich gehen in Rente.“
„Erfolg, Liebe, Gesundheit und so viel Glück wie möglich“ wünschte Ludger Rickes den Schulabgängerinnen im Namen der Tutoren. Elternvertreterin Carola Beck zeigte sich „mächtig stolz“, dass die Schülerinnen gerade in jüngster Zeit Durchhaltevermögen und Energie bewiesen und sich den Herausforderungen durch die Pandemie gestellt und nicht aufgegeben haben.
„Wir haben es geschafft und gekämpft bis zuletzt. Es ist vollbracht“, machte Schulsprecherin und Abiturientin Milena Schmitt ihrer Freude Luft. „Wir sind top vorbereitet für ein Leben in freier Wildbahn und haben wichtige und unwichtige Lektionen gelernt“, merkte sie mit einem Augenzwinkern an.
Musikalisch begleitet wurde die akademische Feier von Karlotta Seybold (Klarinette) und Justine Hastik (Flöte).