Gelungener Theaterabend der Bensheimer Liebfrauenschule

E. Bambach (BA)

Bensheim. Ein zentrales Merkmal des Theaters ist die künstlerische Kommunikation zwischen Darstellern und dem Publikum. Das gemeinsame Erlebnis stellt im besten Fall eine besondere Nähe zur Gesellschaft her und erzählt von Menschen und vom Leben. Folgt man dieser geläufigen Definition, so war der Theaterabend der Liebfrauenschule (LFS) am Mittwochabend ein Idealfall.

Theaterbegeisterte Schülerinnen aus fünf Jahrgangsstufen überzeugten nicht nur mit ihrer schauspielerischen Leistung auf der Bühne des Parktheaters – und vor dicht besetztem Parkett – sie hatten auch ihre Stücke selbst geschrieben und sich darin mit Themen auseinandergesetzt, die ganz unmittelbar dem Alltag und ihrem persönlichen Erleben entstammen.

Die Mitwirkenden des LFS-Theaterabend

Kreativgruppe 5/6: Jennah El Isaoui, Dana PflegerSarah Schellenberger, Leandra Ukaj, Anna WildnerGreta WirthweinEva BoeddinghausJohanna EbnerLina Wilhelm, Elsa Fernandez-Reboll, Henriette GloorKira HöbelLenia MolzahnAnna EngelhardtHannah-Marie Engelhardt, Michell Osefanmen Gumedia, Anna Meckel, Lola Sauvonnet, Sophie SiegleVeronica SobekNoemi ThallerHannah Zimmermann.

Theater-AG Klasse 7: Janne Eschemann, Islam Dalo, Frida GötzLucie Grüger, Moa Hanisch, Luise MöhlerLeona NeubauerLilly ReisHannah SchützHelena BoeckSara FernandezKatharina WildnerJessica ZabekVictoria MayerMarlene Spreng, Anna Bergschneider.

Theater-AG Klasse 8/9: Asena Deniz, Allegra Finkenwirth, Helen Huxhorn, Kyra KrokerSina NoltingAyla PeymanHelen ProchaskaMia Petermann, Helena Wambold, Amelie AuerLena BernetNina JahnelFrieda KaffarnikEmilia Petermann.

Technik bei allen drei Stücken: Sophie-Charlotte EngelhardtYuki Schäfer.

Thematisch für jeden etwas dabei

Dazu hatte sich die Kreativgruppe der 5. und 6. Klassen unter Leitung von Heike Schäfer-Rehn, assistiert von Nina Artemiev, wöchentlich zu je 45 Minuten getroffen. Die beiden Theater-AGs der 7. und der 8./9. Klassen unter Leitung von Christiane Ehret-Jeltsch hatten ihre Stücke in Doppelstunden im zweiwöchentlichen Rhythmus erarbeitet, wobei der zeitliche Aufwand sich steigerte, als der Aufführungstermin näher rückte.

Die drei gezeigten Stücke dürften thematisch alle im Publikum erreicht haben – die einen, weil sie aus der gleichen Altersgruppe stammen und sich in den dargestellten Situationen und Überlegungen selbst wiederfinden konnten, und die älteren Generationen, weil sie auf diese Weise authentisch etwas über die Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse heutiger junger Menschen erfuhren.

Geschichte über die Vergangenheit und Blick in die Zukunft

Der Abend startete mit den zwei je etwa halbstündigen Stücken der Unterstufe. Die 23 Schülerinnen der Kreativgruppe 5/6 hatten ihrem Stück den Titel „JETZT und HIER und DANN“ gegeben. Es begann mit der Überlegung, dass wohl nicht alles so genau stimmt, was die Eltern aus der eigenen Jugend erzählen. Der Vater war kein Mathe-Ass, sondern hatte in dem Fach nur eine Vier und die Eltern hatten damals auch nicht alles gegessen, was auf den Tisch kam.

Wie würde man wohl später die eigenen Kinder erziehen? Ohne feste Bettgehzeit, ohne Hausaufgaben und mit viel leckerem Fastfood? Aber wer weiß, was das Leben bringen wird? Mit bunten Luftballons symbolisierten die Kinder ihre Wünsche für die Zukunft: Neben persönlichen Zielen – viel Geld verdienen, Freunde haben – gab es da auch Sorgen um die Weltlage und die Hoffnung auf die rettende Technik. Eine Zeitreise in die Zukunft (und auf keinen Fall zurück ins Mittelalter!) erwies sich als zwiespältig: Einerseits gab es da faszinierende technische Entwicklungen – aber auch den erschreckenden Rückzug in eine virtuelle Welt. Fazit der Truppe: „Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht!“

Gefühle und Träume im Teenager-Alter

Die Theater-AG Klasse 7 fing ihr Stück „Aus dem Leben einer Teenagerin“ mit gemeinsamen Gefühlen und Träumen an: Die kleine Schwester und die Mutter nerven, man hätte gern das neueste iPhone, neue Klamotten oder mehr Selbstbewusstsein. Und eine Welt ohne Hunger, Armut und Ungerechtigkeit. Eine Fee, die die klassischen drei Wünsche erfüllen würde, reicht da nicht aus.

Ganz klar also: Es muss eine Superheldin her, oder besser gleich mehrere davon, in die die 14 Darstellerinnen sich reihum verwandelten. Eine konnte zum Beispiel bewirken, dass es keine peinlichen Situationen mehr gab, wie etwa, dass die Mutter einen beim Abschied vor aller Augen küsst. Doch hat nicht alles Negative auch eine gute Seite? Schnell zeigte sich, dass der Zauber der Schmerz-weg-Heldin nicht immer hilfreich ist, denn Schmerz ist schließlich auch ein wichtiges Warnzeichen. Und was bringt es, unsichtbar zu werden, wenn die dadurch belauschten Gespräche doch wahnsinnig langweilig sind? Es erwies sich, dass die wahre Superheldin in jeder Einzelnen steckt. Jede hat ihre eigene Superkraft, und jede eine andere, zum Beispiel Kreativität, Meinungsstärke, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Nachdenklichkeit oder das Talent, Spaß zu machen. Dennoch: „Das Leben bleibt kompliziert. Wir träumen weiter. Aber am Ende wird bestimmt alles, alles gut“.

Gewalt ist allgegenwärtig

Auch das Stück der Theater-AG der Klassen 8 und 9 nach der Pause setzte mit dem eigenen Erleben ein: Rache, Wut und Gewaltfantasien sind niemandem fremd. Manchmal hilft nur ein markerschütternder Schrei, um sich von den Emotionen zu befreien. Und auch in der Literatur wimmelt es von Gewalt. Aber was war zuerst da? Sind wir so brutal, weil die Literatur es ist – oder umgekehrt? „Und jetzt beweisen wir das Gegenteil“ nannten die 14 Schülerinnen der AG ihr Stück und durchsuchten die Literaturgeschichte. Erfrischend einfallsreich und mit viel Humor stellten sie die Kernszenen der Ilias und der Nibelungensage nach und holten deren gewaltlüsterne Helden buchstäblich vom Sockel. Sogar Shakespeares „Romeo und Julia“ ist weniger Liebesgeschichte als Gewalterzählung, zeigten sie. Nicht besser sind die aktuellen Serien und Filme und auch die Märchen stecken voller Grausamkeiten. Am Ende des Stücks zeigte die Einspielung von Radionachrichten aus dem Ukraine-Krieg: Wir Menschen sind einfach so.

Tosender Applaus war der absolut verdiente Dank des Publikums bei allen drei Stücken.

Eva Bambach, Bergsträßer-Anzeiger vom 7.7.23

Bensheim, Parktheater, Theater-Aufführungen der Liebfrauenschule, 05.07.2023; Foto: Thomas Zelinger